Nach der Schlacht kamen die Trauer und die Leichenfledderer, denn aus jeder Katastrophe lässt sich Profit schlagen. Dafür braucht es nur die Skrupellosen, die es auch bei der Duisburger Loveparade gegeben hat. Ich meine nicht ausschließlich diejenigen, die in den liegen gebliebenen Habseligkeiten der Flüchtenden nach Brauchbarem suchten. Vielmehr spreche ich von der medialen Verwertbarkeit dieser Katastrophe. Die frühere Tagesschausprecherin Eva Herman bedient sich reichlich aus diesem Potenzial. Medial tot geglaubt betreibt sie wenig seriösen Journalismus. Im Onlinemagazin des Kopp-Verlages erschienen mehrere Artikel von Frau Herman, in denen sie allzu früh die Schuldigen gefunden zu haben meint. Sie begeht grundlegende Fehler. Ich zweifle an der journalistischen Qualität der Artikel, denn es bleibt völlig unklar, woher sie ihre detaillierten Beobachtungen hat. Sonst wäre es glaubwürdiger gewesen, die Quellen im Text zu nennen. Weitere Kritikpunkte habe ich in einer Mail an den Kopp-Verlag formuliert:
Mail an den Kopp-Verlag, der Frau Hermans Artikel veröffentlicht hat:
Sehr geehrte Damen und Herren,
zum Teil halte ich Frau Hermans Aussagen zur Loveparade in Duisburg für falsch. Der Artikel ist unsauber recherchiert:
Ich selbst stand während der Massenpanik zwischen 17 und 18 Uhr auf der Rampe vor dem Tunneleingang. Weder ich, noch die meisten, die um mich herumstanden, hatten Drogen oder Alkohol konsumiert. Frau Hermans Urteil ist in diesem Bezug eine verallgemeinernde Aussage, die längst nicht auf jeden zutraf.
„Bei einer Massenpanik wurden die jungen Menschen zertrampelt, stürzten von meterhohen Gerüsten herunter, über die sie sich hatten retten wollen, sie fielen bewusstlos um und gingen in den wildgewordenen Massen unter.“
Diese Aussage ist falsch: Ich habe niemanden aus großer Höhe fallen sehen. Auch die Menschenmasse als „wild geworden“ zu bezeichnen ist meines Erachtens falsch. Es handelte sich eher um ein enges Schieben, nicht um Wildheit.
„Dieses »friedliche Fest fröhlicher junger Menschen« ist in Wahrheit eine riesige Drogen-, Alkohol- und Sexorgie, geplant, genehmigt und zum Teil finanziert von der Stadt Duisburg und NRW.“
Von Orgie kann keine Rede sein, an der Rampe standen Familien mit Kindern und neben mir eine Frau im Rollstuhl mit ihrer Begleiterin. Deswegen halte ich diese Aussage wiederum für verallgemeinernd.
„Viele Mädchen haben den Busen blank gezogen, manche sind fast völlig nackt.“
Wie bereits erwähnt waren Kinder anwesend. Ich habe eine Frau mit entblößtem Oberkörper auf einem der Wagen gesehen. Es muss dort noch eine zweite Frau gegeben haben, denn es gibt Fotos, auf denen zwei Frauen mit nacktem Oberkörper zu sehen sind. Mehr habe ich nicht gesehen. Wie definieren Sie „Viele“? Ich bin komplett angezogen gewesen.
Ich habe zwei Fragen zu dem Artikel:
Das Foto zum Artikel, auf dem zwei nackte Frauen zu sehen sind, ist tatsächlich während der Duisburger Loveparade aufgenommen worden? Können Sie mir das bestätigen?
Wo hat Frau Herman ihre detaillierten Beobachtungen gemacht? Welche Quellen hat Sie genutzt?
Bitte beantworten Sie mir oben stehende Fragen.
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
Patricia Guzman / Duisburg
(Rechtschreibfehler in den Zitaten habe ich aus dem Artikel übernommen)
Wer gerne den Text von Frau Herman lesen möchte:
Hier geht es zu einem sehr guten Text zum Thema von Nadia Shehadeh auf Philibuster, der auch auf Eva Hermans Text bei Kopp verlinkt.
In London überwachen sie fast jeden Quadratzentimeter und auch bei uns in Deutschland haben sie sich bewährt: Überwachungskameras – früher nur im Bankfoyer anzutreffen, habe ich sie mittlerweile auf Straßen, Plätzen und sogar gut versteckt in den Waschräumen von Einkaufscentern entdeckt. Das Künstlerduo Bitnik hat einen ungewöhnlichen Weg gefunden, sich mit dem für Großstädte typischen Thema auseinanderzusetzen. Die Züricher rufen zum Workshop mit dem Essener Folkwang Museum auf, CCTV-A trail of images – Ein Streifzug zu den Schauplätzen der unsichtbaren Stadt Essen. Ausgerüstet mit Video-Signalempfängern werden die Teilnehmer Überwachungskameras in Essen anzapfen. Am Ende des Rundgangs sollen alle Bilder zusammengetragen werden.
Hacking the City – Workshop des Künstlerduos Bitnik in Zusammenarbeit mit dem Museum Folkwang Essen
Freitag, 16.07.2010, 14 bis 18 Uhr, Treffpunkt und Ausgabe der Empfangsgeräte am Museum Folkwang Essen, Projektraum/Base Station
Anmeldung im Besucherbüro unter Telefon 0201 – 88 45 444
Weitere Infos gibt es hier.
Foto: www.hackingthecity.org
Blogger schreiben für Welt Kompakt Scroll-Edition
Zugegeben: Es raschelt beim Blättern schöner. Sonst sind meine Ohren fast ausschließlich ans Mausklicken gewöhnt. Heute habe ich mir am Duisburger Bahnhofskiosk die Scroll-Edition der Welt Kompakt gekauft. Richtig gedruckt auf Papier! Der Verlag hatte das Experiment gewagt, zwanzig Blogger und Twitterer zum Ausflug in die Printwelt zu laden und für die Sonderausgabe schreiben zu lassen. Beide Seiten – Welt-Kompakt-Redaktion und Blogger – haben sicher neue Erfahrungen sammeln können. Spontanität und subjektive Sichtweise werden wohl auf systematische Journalisten-Schreibe gestoßen sein. Stellvertretender Chefredakteur Frank Schmiechen zu seiner Arbeit mit den Bloggern im Interview: „Es war wahnsinnig anstrengend.“ Das Ergebnis ist überzeugend und ich würde mich über eine Fortführung des Experiments freuen. Selbst solche Online-Junkies wie ich es bin kaufen dann plötzlich wieder Zeitungen. Hier gibt es weitere Infos zum Projekt.
Foto: Patricia Guzman / Kultur Bunny
Wie sollten Unternehmen das Netz nutzen?
Wie viel Internet tut einem Unternehmen gut? Blogger und Journalist Sascha Lobo geht fürs Magazin Wirtschaftswoche der Frage auf den Grund, welchen Stellenwert die Errungenschaften des Web 2.0 für die Wirtschaft haben. Während Social-Media-Consultants predigen, Unternehmen könnten ihre Verkaufszahlen steigern, indem sie über sämtliche Produktionsschritte twittern und ihre Facebook-Seite pflegen, ist mancher noch nicht vom Nutzen via Netz überzeugt. Die Art der Kommunikation, deren Inhalte und die Intensität entscheiden. Doch von was brauche ich wie viel? Um Lösungen in einem Artikel für die Wirtschaftswoche aufzuzeigen, geht Autor Sascha Lobo einen ungewöhnlichen Weg. Er nutzt den großen Wissenspool der Webcommunity und beteiligt die Netzöffentlichkeit am Entstehen seines Artikels. Ganz Kind der Web 2.0 Gesellschaft gebraucht Sascha Lobo verschiedene Onlineplattformen, sein Blog und die Homepage der Wirtschaftswoche.
Und hier geht es zu Sascha Lobos Artikel für die Wirtschaftswoche …
Wer sich als Journalist bei Jobbörsen umsieht, trifft auf Angebote, die 1,5 bis 2 Cent pro geschriebenes Wort bieten. Preise, zu denen keiner den Stift zückt, der bei Finanzamt und Sozialversicherungen gemeldet ist. Übrig bleiben Berufseinsteiger und nebenberufliche Journalisten, die sich für wenig Geld engagieren. Doch Neulinge im Journalismus können nicht sämtliche Themenfelder abdecken. Besser wäre die Vielfalt der Digitalisierung genutzt, wenn das komplette Potenzial von altgedienten und jungen Journalisten, Neben- und Hauptberuflern eingesetzt würde. Wie lässt sich die gesamte publizistische Bandbreite in Zeiten knapper Kassen erhalten? Wir nutzen längst nicht unsere Möglichkeiten wie Stefan Weichert und Leif Kramp in ihrem Artikel für sueddeutsche.de schreiben.
Foto: Foto: pixelio.de Fotograf tommyS © Digitalfotovision